Eine lebhafte Diskussion erlebten wir dieses Jahr bei dem von der internationalen Kanzlei Fieldfisher in Kooperation mit der Bucerius Law School organisierten Panel zum Thema Legal Tech.
Besser hätte das Timing für die Veranstaltung kaum sein können, denn Alexander Haghani, Head of Business Development & Marketing Germany bei Fieldfisher, bewies bei der Planung ein excellentes Gespür. Just am Tag davor, am 27. November, entschied der Bundesgerichtshof über das Legal Tech Portal wenigermiete.de, welches Mietern bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber Vermietern hilft. Und auf einmal war Legal Tech dadurch in den Schlagzeilen. Im Spiegel, in der Zeit oder in der Tagesschau.
So oft kommt es nicht vor, dass nahezu alle Leitmedien breit über einen Geschäftszweig berichten, der in Deutschland noch großteils einen Dornröschenschlaf schläft. Das lag bisher auch an der unsicheren Rechtslage zu der nun vom BGH behandelten Frage. Die zuständige Richterin sprach treffenderweise von einem Grundsatzurteil.
Schon deswegen war also wie gesagt das Timing hervorragend gewählt und wir entsprechend gespannt auf die Veranstaltung. Und wir wurden nicht enttäuscht.
Auch wenn das Grundsatzurteil des BGH nur klären sollte, was erlaubte Inkassotätigkeit und was unerlaubte Rechtsberatung umfasst und auch wenn die Urteilsbegründung noch nicht vorlag, gab es genug Themen zu besprechen.
Damit ging es auch zügig los. In seiner Eröffnung analysierte Dirk Hartung, Executive Director Legal Technology bei der Bucerius Law School, kurz das Urteil und betonte, dass die Bearbeitung von Recht immer schwieriger und komplexer wird und die Verfahrensdauer trotz sinkender Verfahrenszahlen immer länger werde. Aus einem einfachen Grund: Es müssen immer mehr Informationen verarbeitet werden.
Natürlich kann Legal Tech hier Lösungen bieten, das steht außer Frage. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen dafür geschaffen werden, denn:
Wenn Legal Tech dem Verbraucher besser hilft als einige Anwälte es tun (können), dann muss die Frage nicht lauten, OB Legal Techs das dürfen, sondern WIE sie es dürfen! Also wie die Voraussetzungen dafür geschaffen werden.
Dr. Philipp Plog, Managing Partner bei Fieldfisher, moderierte die Paneldiskussion und es zeichnete sich früh ab, dass er, Dr. Daniel Halmer, Gründer von wenigermiete.de, sowie Dr. Philipp Hammerich, Geschäftsführer der rightmart Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, das Urteil ähnlich und als wegweisend interpretieren, wohingegen Dr. Rolf Schultz-Süchting von der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer vor allem betonte, dass er ohne das gesamte Urteil und nur mit der Pressemitteilung nicht allzu viel zu den Auswirkungen des Richterspruchs spekulieren wollte.
Dennoch oder gerade deswegen entstand eine lebhafte Diskussion, bei der die Geschäftsmodelle der anwesenden Legal Tech Gründer dargestellt wurden, den Fragen nachgegangen wurde, was das Urteil geklärt hat und was noch nicht und inwieweit es auf andere Geschäftsmodelle aus dem Legal Tech übertragbar ist – und was das Urteil für die Zukunft bedeutet, inklusive der Frage nach den Wünschen an den Gesetzgeber.
Schließlich ist das auch eine Erkenntnis aus dem BGH Urteil: Nicht die Rechtsprechung kann die Weichen für Legal Tech stellen, sondern der Gesetzgeber ist gefragt, das Recht zeitgemäß und verbraucherfreundlich zu gestalten.
So sieht dann auch Daniel Halmer für den Bereich Inkasso immer noch ein zu enges Korsett und wünscht sich – wenig überraschend – mehr Freiheiten, sieht allerdings auch gar nicht so sehr eine Konfrontation zwischen Anwälten und Legal Techs sondern vielmehr zwischen großen Unternehmen und Verbrauchern. Ihm geht es um die Möglichkeit der Verbraucher, rechtmäßige Ansprüche gegenüber Konzernen auch durchsetzen zu können – und hier kommt eben Legal Tech ins Spiel.
Auch Philipp Hammerich wünscht sich eine Lockerung, nämlich die des anwaltlichen Berufsrechts. Legal Techs schreibt er ein enormes Potential zu. Sie bilden für ihn ebenfalls den Gegenpart zu großen Unternehmen im Sinne des Verbrauchers, wodurch die „David Goliath Situation“ verändert wird. Er wünscht sich, dass Anwälte aus „ihrer Schmollecke“ rauskommen sollen und die Chance sehen, nicht nur die Risiken.
Ein schöner Satz.
Allerdings machen wir die Erfahrung, dass viele Anwälte gar nicht schmollen oder zu viele Risiken sehen, sondern dem Thema gegenüber schlicht und ergreifend gleichgültig gegenüberstehen.
In vielen Kanzleien wird zwar immer wieder von Legal Tech gesprochen und davon, dass man da jetzt mal was machen müsse, in deren Realität sind viele Anwälte jedoch digital noch in den 90-igern. Da das Geschäft auch ohne digitale Lösungen hervorragend läuft, herrscht dort eine gewisse Lethargie.
Hier sind moderne Anwälte gefragt, die sich viel selbstverständlicher mit Digitalthemen und Legal Tech beschäftigen – daraus wird dann auch die entsprechende Bereitschaft entstehen, Legal Tech Lösungen als Bereicherung und Chance im Sinne des Mandanten zu verstehen.
Wenn etwas richtig läuft, wird es auch vom Markt angenommen!
In dem Sinne: Legal Tech entwächst den Kinderschuhen. Und an Fintechs und Banken haben wir gesehen, dass eine regulierte Branche schnell an Dynamik gewinnt, wenn Tech Einzug hält – was etablierten Marktteilnehmern nicht immer gefallen muss, was sie nur auch nicht ignorieren sollten.
Euer Nikolaus Grosse