27. Februar, 2019

Das Schicksal von Regeln ist Code - Erkenntnisse von der Berlin Legal Tech 2019

Nachdem es inzwischen zahlreiche und unterschiedlichste Veranstaltungen im Legal Tech Bereich gibt, fiel es gar nicht so leicht, uns für ein Format zu entscheiden.

Dass wir uns als plusYOU schließlich für die Berlin Legal Tech entschieden haben, hat sich als hervorragende Entscheidung herausgestellt.

Die Veranstaltung hat so ziemlich alles geboten, was wir uns gewünscht haben. Gute Workshops, tolle Speaker, reger Austausch und spannendes Networking bei hervorragender Organisation in ansprechenden Locations.

Drei wesentliche Erkenntnisse haben wir mitgenommen:

1)   Legal Tech und die Digitalisierung des Rechtsmarkts werden die Anwaltschaft und deren Arbeitsweise sowie den Bereich der Rechtsdienstleistung verändern.

2)   Wer sich dem verschließt und die Entwicklung ignoriert, wird irgendwann nicht mehr konkurrenzfähig sein.

3)   Die Komplexität der Daten im juristischen Bereich, deren Syntax und vor allem die Möglichkeit der Auslegung etwa bei Ermessensfragen oder unbestimmten Rechtsbegriffen, steht einer kompletten Automatisierung noch im Weg – und der Beruf des Anwalts wird weiterhin wichtig sein. Nur anders als bisher und mit neuen Jobrollen.

Wie solche Jobrollen aussehen könnten, das wurde beim Start der Legal Tech am Mittwoch herausgefunden. Beim Hackathon entwickelten die Teilnehmer, Juristen und ITler,  Ideen und Use Cases in einem offenen Austausch, auch durch verschiedene Techniken aus dem Bereich Legal Design Thinking. Wir waren zwar nicht dabei, konnten dann allerdings bei den Pitches der Teilnehmer und der Siegerehrung am Donnerstagabend zusehen – dazu später mehr.  

Tag 1

Wir haben am Donnerstag den Weg in die Hauptstadt gefunden und mit ca. 50 anderen Interessierten an den Workshops zum Thema „Automatisierung für Unternehmen & Verwaltung“ teilgenommen. Das Programm war kurzweilig, abwechslungsreich und gut moderiert und das Publikum war bunt gemischt, vom Kanzleijuristen über Vertreter aus Unternehmen bis hin zu Mitarbeitern in Forschungseinrichtungen.

Die Eröffnung durch einen der Veranstalter, Stephan Breidenbach, beinhaltete einen guten Überblick über die Themen und bot einen guten Vorgeschmack auf die kommenden zwei Tage.

Den ersten Workshop gab es von Steffen Huss, Data Scientist bei Bryter, die unter anderem eine no code Plattform für Kanzleien und Unternehmen anbieten. Unter dem Titel Do-It-Yourself Automatisierung für Unternehmen leicht gemacht wurde die Möglichkeit der Automation zur Anwendung von komplexem Expertenwissen dargestellt. Dabei wurde klar – wie im Laufe der gesamten Veranstaltung noch häufiger – dass im Recht eine wesentliche Herausforderung in der Verarbeitung der großen Menge komplexer Daten und der ebenfalls komplexen Semantik liegt. Insbesondere die Darstellung der Praxismöglichkeiten an Hand eines Basismodells – Überraschung – im Bereich Fluggastrechte, war dann ansehnlich, da hier klar wurde, dass ein Jurist kein Programmierer sein muss, um gute Rechtslösungen digitalisiert anbieten zu können. Trotz der hohen Komplexität wirkte die Lösung gut anwendbar. In Gesprächen mit Vertretern von Kanzleien oder mit Unternehmensjuristen wurde uns dann später auch bestätigt, dass inzwischen einige diese „Baukasten“ Lösungen ausprobieren.

Dass die Anwendungsmöglichkeiten nahezu unbegrenzt sind und etwa im Compliance oder zum Thema Scheinselbständigkeit in Frage kommen, sollte zumindest die ein oder anderer Kanzlei als Anbieter von Rechtsdienstleistungen aufhorchen lassen.

Denn was hier schon im ersten Workshop klar wurde, war auch Tenor der gesamten Veranstaltung: Der Zug „Legal Tech“ rollt bereits und insbesondere Kanzleien sollten möglichst schnell ein Ticket lösen, um die Fahrt nicht ganz zu verpassen.

Hervorzuheben ist deswegen noch der Workshop von Stephan Breidenbach selbst, den er als Vortrag in ähnlicher Form auch am kommenden Tag bei der Konferenz vorgetragen hat. Der Titel Entscheidungsautomatisierung für Unternehmen und Verwaltung lies ganz gut erkennen, worum es ging. Zunächst gab es das zu sehen, was im Laufe der gesamten Veranstaltung häufiger als Beispiel genutzt wurde, um zu zeigen wie kompliziert und unübersichtlich Recht in der Anwendung sein kann: Eine sperrige und unverständliche Klausel, in diesem Workshop eine Rechtsnorm aus dem Ausländerrecht. Daran knüpfte Stephan Breitenbach dann einige Fragen und die Antworten machten klar, dass eigentlich alle Teilnehmer in ihrem Arbeitsumfeld viele rechtliche Abläufe und Prozesse haben, die sie gerne automatisieren würden. Bisher allerdings scheint kaum eine Organisation dies umzusetzen. Die Gründe dafür waren vielseitig und reichten von Kostendruck, über Angst vor Neuem bis zu bürokratischen Hürden.

Am Beispiel des Asylbewerberleistungsgesetzes erklärte Stephan Breitenbach anschaulich, wie er mit seiner Firma 2017 dem LAGESO in nur drei Tagen eine Übersicht, ähnlich einem Stammbaum, erstellt hatte. Selbst als Laie konnte man erkennen, dass der Stammbaum echtem Code ziemlich ähnlich sah und damit war eine starke Verbindung zwischen Recht und Programmierung geschaffen.

Besonders interessant war dann die Frage, wie in diesem Zusammenhang mitErmessensfragen, Bewertungen und unbestimmten Rechtsbegriffen umzugehen sei

Letztlich ist gut vorstellbar, dass genug Entscheidungen der letztinstanzlichen Gerichte auch unbestimmte Rechtsbegriffe mit Leben füllen – und daraus wieder Regeln abgeleitet werden können. Und um es mit Stephan Breitenbachs stärkstem Statement zu sagen:

Das Schicksal von Regeln ist Code!

Schließlich ging es dann noch um die politische und gesellschaftliche Dimension, auch und gerade mit Blick auf die Massenverfahren, die nicht nur Autokäufer betreffen. Die Möglichkeiten, die aus einem digitalisierten Recht und einem „embedded law“ entstehen, sind vielseitig. Im Prinzip kann wie gesagt alles automatisiert werden, was es an Regeln gibt. Das sich die juristische Welt dadurch in naher Zukunft fundamental ändern wird, schien dabei allen klar zu sein, die Frage ist eher wann es soweit ist und wie radikal dieser Wandel sein wird.

Am Abend fanden dann in anderen Räumlichkeiten die Pitches der Hacker Teilnehmer des Hackathons statt. Eine Jury, unter anderem mit Philipp Kadelbach von Flightright und Markus Hartung von der Bucerius Law School besetzt, entschied dann nach der Präsentation der 11 teilnehmenden Gruppen und kürte die besten 3 Teams. Dabei gab es ein paar wirklich spannende Ideen und gute Präsentationen zu sehen.

Den dritten Platz erreichte das Team der Humboldt-Universität zu Berlin, das durch ihr Tool die Einstellung von Flüchtlingen durch KMUs erleichtern möchte. Der zweite Platz ging an das Team „Whistlebot“, dass die Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie zum Whistleblowing verbessern wollte. Sieger wurde schließlich das Team „Vizlaw“. Dieses Team konzipierte einen Prototyp zur Visualisierung juristischer Daten und Suchvorgänge.

Insgesamt war der erste Tag damit spannend und kurzweilig und machte vor allem neugierig auf die Konferenz.

Stephan Breidenbach @ Berlin Legal Tech 2019

Tag 2

In den schönen Räumlichkeiten der Wirtschaftprüfer von Mazars ging es dann mit der Konferenz weiter. Nach der Eröffnung der Organisatoren Stephan Breidenbach und Florian Glatz und der Begrüßung durch den DAV Präsidenten Ulrich Schellenberg, war die Erwartungshaltung hoch.

Die Organisatoren ließen keinen Zweifel daran, dass Legal Tech aus ihrer Sicht nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als eine Revolution des Rechtsmarkts. Schellenberg sprach die Regulierung in der Anwaltschaft, Fragen zur Vergütung und Abtretung mit Bezug zum Legal Tech sowie den Verbraucherschutz an. Er betonte, dass Regulierung nicht nur dazu dienen dürfe, klassische Geschäftsfelder zu schützen, denn die Entwicklungen am Markt könne man nicht aufhalten.

Somit war der Rahmen gesetzt und die erste Speakerin für den Bereich „Datadriven law“ machte klar, welche Herausforderungen zu meistern sind.

Unter dem Titel „The data-driven economy and what it means for lawyers and policy makers (EN) “ stellte Reka Solymosi, Forscherin am Software Sustainability Institute der Universität Manchester auf humorvolle, schnelle und schlagfertige Weise dar, wie wichtig es ist, darauf zu achten, wie Daten erhoben werden und wie aufmerksam man diese Daten interpretieren sollte.

Daten spielten damit gleich zu Beginn und eigentlich während der gesamten Konferenz eine wesentliche Rolle, da deren Erhebung und Verarbeitung für alles, was mit Code zu tun hat, erheblich sind.

Jeder, der außerdem mal Jura studiert hat, weiß, wie viele Daten der Bereich Recht umfasst, denn jedes Gesetz ist im Prinzip eine große und enorme Datensammlung. In der täglichen Arbeit des Anwalts wird diese Menge an Daten dann natürlich um ein Vielfaches größer. Jede Transaktion, jeder Vertrag, jedes Mandat beinhaltet unfassbare Mengen an Daten.


Clemens Koós von signals Venture Capital, Anwalt und Investmentbanker, nahm dieses Thema unter dem Titel Building legal services around a data feedback loop auf. Er stellte trocken fest, dass aktuell nach seiner Beobachtung Kanzleien nur durch Mitarbeiterwachsen. Trotz enormer Umsätze sei es jedoch so, dass das Wachstum der meisten Kanzleien kontinuierlich stagniert oder sogar abnimmt. Seine Lösung, um das zu ändern, liegt in der „RPA“, der robotergesteuerten Prozessautomatisierung.

Typische Anwendungen dafür seien etwa Due Dilligences, das Mandantenmangement, die Texterkennung oder die Zeiterfassung.

Zumindest bei den Vertretern der Rechtsabteilungen machte er sich Freunde, als er betonte, dass konsequente Automatisierung für die Kanzleien niedrigere Rechnungen zur Folge haben könnte.  

Ist halt so eine Sache mit den billable hours wenn’s dank der Automatisierung schneller geht.

Er stellte allerdings auch heraus, dass von der Automatisierung die Datenerhebung und Datenverarbeitung betroffen seien und nicht das Fachwissen und damit auch nicht die Beziehung zum Mandanten. Die Folge sei demnach, dass der Anwalt wieder wirklich dicht am Mandanten sein und ihm wirklichen Rechtsrat geben könne.

Im Klartext: Am Ende geht`s um die Software die parallel zur Anwaltsleistung angeboten wird und die zu einer Skalierbarkeit der Anwaltsleistung führt.

Dass das aktuelle Modell der billable hours damit nicht mehr zeitgemäß ist beziehungsweise sein wird, wird die associates, die dann keine Stunden mehr im Datenraum kloppen müssen, mit Sicherheit freuen.

Für die Kanzleien entsteht damit außerdem die Chance, ihr oft kritisiertes System, das etwa den Ansprüchen von Berufseinsteigern kaum noch genügt – die trotz enormer Gehälter immer weniger Lust haben, in den Kanzleien 15 Stunden am Tag zu arbeiten – oder das es Frauen nach wie vor sehr schwer macht, in die Partnerebene zu kommen – da es eben doch nur darum geht, wie lange gearbeitet wird –, zu überdenken und zu modernisieren. Es wird spannend zu beobachten sein, welche Kanzleien trotz der enormen Umsätze, die die Branche aktuell erwirtschaftet, soviel Weitsicht beweisen wird.

Lilian Breidenbach von Legal OS, machte mit ihrem Vortrag, Von Vertragstemplates zu Micro-Agreements, deutlich, welche Hürden bis zu dieser neuen Welt der Kanzleien noch zu nehmen sind.

Ihr Unternehmen berät Kanzleien und Rechtsabteilungen und sie stellte fest, dass ca. 50 Prozent von deren Aufgaben repetitiv sind. Dass sich daran im Arbeitsalltag trotz der Digitalisierung wenig geändert hat, liegt ihrer Meinung nach vor allem daran, dass die juristische Arbeit nun einmal zu Großteilen auf Text – und wie wir inzwischen wissen, damit auf komplexen Daten– basiert.

Das sich die Arbeitsweise deutlich verändern und damit auch verbessern würde, wenn eine Maschine juristische Inhalte verstehen und sogar auswerten könnte, konnte die Rednerin an Hand der Darstellung eines Datenmodells verdeutlichen. Dieses Modell zeigte, wie Inhalte eines Vertrags zu Code gemacht werden können und wie damit eine Steigerung der (juristischen) Produktivität abbildbar ist.

Das dies neue Geschäftsmodelle nach sich ziehen kann und wird, wie etwa Baukastensysteme im Arbeitsrecht, war damit anschaulich erläutert.  

Anschaulich war dann auch unter dem Thema „Access to Justice: Designing for the Crowd” das, was Stephan Breitenbach vortrug. Ähnlich wie das, was bereits beim Workshop klar wurde, war seine Kernbotschaft, „Das Schicksal von Regeln ist Code“.  

Was das bedeutet, wird vor allem dann klar, wenn man sich so wie plusYOU mit den Menschen hinter Legal Tech, also mit Juristen und ITlern, beschäftigt.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Legal Tech in den meisten größeren Kanzleien seit einer Weile eine wichtige Rolle spielt und das sich auch immer mehr Rechtsabteilungen mit dem Thema beschäftigen. Auf der anderen Seite muss man schon sehr genau hinschauen, um gute ITler– sei es der klassische Softwareentwickler, ein Admin oder die Dev Ops -  für das Thema Legal zu begeistern. Wenn allerdings klar wird, dass das Schicksal von Regel Code ist und dies dazu führt, dass die Rechtsbranche aus ihrem digitalen Dornröschenschlaf erwacht und damit eben auch für ITler spannend wird, dann kann die Revolution beginnen.

Denn nichts weniger als das scheint möglich, wenn man betrachtet, was weiter ausgeführt wurde.

Die Unmenge an Daten, die im Recht steckt, beinhaltet eben die Möglichkeit der Automatisierung und das war deutlich zu vernehmen. Dass bei Ermessensfragen und in anderen Bereichen der Mensch und damit der Jurist eine wesentliche Rolle spielen wird, war auch Stephan Breitenbach wichtig zu betonen. Seine wesentlichen vier Schritte auf dem Weg dorthin waren ganz konkret das Visualisieren durch Road Mapping, das Partizipieren mit Legal Design und mit der damit einhergehenden Chance, Regeln und Prozesse neu zu gestalten und zu verbessern, die Maschine zur Ausführung des Codes zu nutzen und schließlich Daten, Daten und nochmals Daten als Basis des Ganzen.

Spannend für uns war dabei auch, dass dies für den juristischen Arbeitsmarkt mit neuen Jobrollen einhergehen wird und dass in Zukunft ein Legal Engineer oder ein Legal Knowledge Architekt nicht nur fancy klingende Zukunftsmusik, sondern typische Berufsbezeichnungen in Kanzleien und Rechtsabteilungen sein werden.

Das dabei etwas eine Rolle spielen wird, was in der klassischen Juristenausbildung selten eine Rolle spielt, nämlich Kreativität, wurde im nächsten Themenbereich, Access to Justice: Designing for Humans, deutlich.

Was überhaupt Legal Design ist, erklärte einem teilweise staunenden Publikum Astrid Kohlmeier, Legal Design Beraterin, Juristin und Designerin. Klar wurde, dass Design Thinking in anderen Bereichen schon ein alter Hut ist, im Rechtsbereich jedoch noch in den Kinderschuhen steckt. Letztlich ist es „nur“ eine Methode um komplexe Probleme zu lösen und damit gut anwendbar auf die Hybrid Konstellation bei Recht und Tech – sowie eben Design. Es geht dabei darum, die Perspektive zu wechseln und den Blick auf den Nutzer zu lenken, denn Nutzerfreundlichkeit ist enorm wichtig. Damit betrifft Legal Design im Prinzip Alles im rechtlichen Kontext.

Wie nutzerunfreundlich die Anwendung von Recht im Übrigen oft sein kann, weiß jeder, der sich mal mit der Materie beschäftigt hat.

Das dies gewollt ist und dass eben wegen der Komplexität des Rechts nicht jeder Laie in der Lage sein soll, Rechtsberatung anzubieten und professionelle Hilfe eingeholt werden soll, mag für einige Bereiche zustimmen. Allerdings führt dies auch dazu, dass der Weg zum Anwalt für viele Verbraucher eine große Hürde darstellt und für viele Anwälte sind bestimmte Mandate außerdem wirtschaftlich nicht attraktiv.

Das Legal Tech und Design Thinking bereits wirken, zeigen dabei aktuell Unternehmen wie Flightright, myright oder wenigermiete.de. Durch diese Vorreiter des Legal Tech wird nicht der Zugang zum Recht durch den Verbraucher vereinfacht, sondern es lohnt sich auch für einige Unternehmen traditionell wirtschaftlich eher unattraktive Mandate anzunehmen.

Außerdem muss man klar festhalten, dass es auch genug Juristen gibt, die mit bestimmten Paragraphen in Gesetzen oder Formulierungen in Verträgen ebenfalls nichts mehr anfangen können, weil sie einfach zu unverständlich und komplex sind. Auch hier spielt also die Nutzerfreundlichkeit des Rechts eine enorme Rolle.

Und es gibt noch eine andere Gruppe von Personen, die sich intensiv mit der Nutzerfreundlichkeit von Recht beschäftigt. Studierende der Rechtswissenschaften.

Dalia Monat @ Berlin Legal Tech 2019

Dalia Moniat, Studentin, Legal Hacker und Design Thinking Expertin mit einem Schwerpunkt auf die juristische Ausbildung, hat in ihrem Vortrag anschaulich erklärt, wie sie sich die Zukunft der Rechtsausbildung vorstellt.

Konfrontiert mit den schnöden Realitäten des Jurastudiums, hätte sie ihren eigenen Wunsch als kreativer Kopf im Jurastudium diese Kreativität nutzen zu können, schnell aufgeben können. Stattdessen hat sie diese Enttäuschung genutzt und sich eigene Bereiche gesucht, in denen sie ihre Kreativität im Rechtsbereich nutzen konnte.  

Daraus resultiert ihre Vorstellung, die Ausbildung mit kleinen Schritten zu verbessern, etwa durch die Visualisierung von Lerninhalten, die Vermittlung von digitalen Kompetenzen oder durch eine Verbesserung des Zugangs zum Recht für Studierende. Klar wurde, dass der Blick auf die Studierenden mit dem Ansatz des Design Thinkings, dass den Nutzer in den Vordergrund stellen soll, zu einem größeren Praxisbezug des Studiums und einer besseren Stoffvermittlung führen kann.

Und wenn man ehrlich ist, ist dies alles andere als Hexenwerk. So ziemlich jeder Studierende des Rechts kennt das Angebot von Repetitorien (https://www.jurawiki.de/Repetitorium) und die meisten haben entweder für das 1 oder 2 Staatsexamen eins besucht. Wieso? Weil dort die Komplexität des Rechts und die Menge an Stoff anschaulich und modern vermittelt wird.

Dass dies nicht an den Unis passiert, hängt mit Sicherheit auch mit den fehlenden Angeboten digitaler Inhalte und einer miesen Stoffdarstellung zusammen.

Das die Repetitorien in der Regel sehr teuer sind und vor allem, dass es natürlich viel Zeit in Anspruch nimmt, sowohl an der Uni und dann auch noch im Rep die Vorbereitung auf die Prüfungen zu machen, ist ein verbesserungsbedürftiger Zustand. Hier ist dringend eine Lösung gefragt, denn an diesem Zustand hat sich seit Jahrzehnten nichts geändert.  

Einen Einblick, wie solche komplexen Lösungen gefunden und erarbeitet werden können, gab es dann im Design Thinking Workshop, der von von Astrid Kohlmeier, Dalia Moniat und Zoë Andreae sehr charmant und professionell geleitet wurde.

Nikolaus Grosse + Hendrik Feist, Geschäftsführer der plusYOU GmbH

Der Nachmittag startete mit dem Thema „AI and Law“ und wurde von Nicolás Della Penna vom MIT sehr eloquent und charismatisch eingeleitet. Seine Kernbotschaft war klar und einfach: In Zukunft wird es zwei Arten von Anwälten geben, diejenigen, die mit KI arbeiten werden und diejenigen, die es ohne KI versuchen. Erstgenannte werden dann als Angestellte oder Selbständige arbeiten und die anderen werden keinen Job haben.

Mit anderen Worten: Ohne genau zu wissen, wann es soweit ist, dass KI eine überragende Rolle spielen wird, sollte kein Anwalt sich diesem Bereich verschließen!

Das war auch eine Botschaft von Tianyu Yuan, Gründer & CEO von LEX superior, der im Anschluss auf sehr unterhaltsame und intelligente Art und Weise der Frage, warum Legal Education und  machine learning im Recht so wichtig sind, nachging. Über die Fragen, wie Logik ins Recht passt, wie man vom Gesetz zu dessen Anwendung kommt und wie eine Maschine lernen kann, wurde klar, wie viel Arbeit die viel zitierte Datenerhebung macht und machen wird. Außerdem wurde auch hier wieder deutlich, wie wichtig der Mensch bei Fragen zur Auslegung und im Bereich Ermessen ist. Die Komplexität der Sprache stellt auch nach Tianyu Yuan die größte Herausforderung dar und es gelang ihm gut, dies an Hand plastischer Beispiele zu verdeutlichen.

Weitere Vorträge im Bereich Blockchain von Robin Matzke, Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit dem Thema „Von ICOs zu STOs“ oder von Florian Glatz mit dem Titel „Motion Protocol: echter Use Case für Blockchain Technologie in der Filmindustrie“, zeigten auf, wie moderne Techniken ganz praktikabel für Juristen nutzbar sein können.

Den Abschluss bildete dann das Thema „Digitaler Staat & Regulierung“, bei der Daniel Halmer, CEO und Gründer von LEXFOX, nichts weniger als die Erosion des Rechtsstaats sah, wenn die aktuelle Regulierung so bleiben sollte, wie sie ist.
Dass er zumindest dort einen Punkt hatte, wo Verbraucher ihre Rechte nicht nutzen können, da der Zugang zum Recht so schwierig ist und das vor allem die Gegenseite, also bestimmte Unternehmen, dies antizipieren und ausnutzen, war nicht von der Hand zu weisen. Auf Begeisterung oder Zustimmung schien sein Vorschlag einer Komplettliberalisierung des Rechts im Publikum dennoch nicht zu stoßen.

Spannend waren sein Vortrag und auch alle anderen auf jeden Fall. Kurzweilig, inhaltlich oftmals ansprechend und gepaart mit vielen neuen guten Ideen bot die Legal Tech Veranstaltung einen tollen Überblick über das Thema.

Das wir uns dennoch am Anfang eines langen Weges befinden, war uns an zwei Stellen besonders deutlich geworden. Bei der Abendveranstaltung, nach der Siegerehrung zum hackaton, standen bei Bier und Snacks die Juristen und die ITler zusammen. Allerdings in getrennten Gruppen. Und wie bereits erwähnt, sind es bisher vor allem tech-begeisterte Juristen, die das Thema auf dem Schirm haben. Und zumindest noch wenig legal-begeisterte ITler.

Bei aller Euphorie, die den ein oder andere also beim Thema packt, ist es vor allem wichtig, die Menschen hinter dem Recht und hinter der IT zusammen zu führen und für die Möglichkeiten zu begeistern. Darüber hinaus sind einige Rechtsbereiche wie etwa das Strafrecht vermutlich typische Kernbereiche des menschlichen und anwaltlichen Handelns, sowie jede Beratung, die Ermessen und Auslegung erforderlich machen. Außerdem sind bei aller nachvollziehbaren Kritik an der Ausbildung oder auch an der Arbeit von Juristen, diese heute schon sehr häufig durch die Auslegung und Gestaltung des Rechts sehr kreativ, wie die Entwicklung der Rechtsprechung zeigt.

Im Kern muss also das Ziel sein: Eine sinnvolle Symbiose zwischen menschlicher Abwägung und Beratung einerseits und der Unterstützung durch Automation und Maschinen andererseits.

Euer Nikolaus Grosse